Ein Gedankenspiel, sehr persönlich, von Alida Gundlach
Manchmal denke ich, dass ich nicht mehr kann. Wie oft habe ich versucht, die Realität denen zu schildern, die alles aus dem Fernsehen konsumieren. Wie eine Doku-Soap… möglichst mit Happy End. Meine gespeicherten Bilder, Geräusche und Gerüche erreichen sie nicht. Sie schauen weg, wenn ihnen zu viel Wirklichkeit begegnet. Ob Menschen auf der Flucht, beim Verhungern oder Tiere in der gleichen Lage… ich begreife das, aber es lastet auf mir.
Schließlich gehen sie nicht zum Züchter, sondern wollen einem „armen Hund“ ein Zuhause geben. Da sollen sich doch gefälligst alle freuen! 1000 Vermittlungsvereine tun genau das – meist eher Händler als Tierschützer. Warum auch soll man sich damit beschäftigen, was den Tieren angetan wurde, aus welcher Hölle sie kommen,warum sie traumatisiert sind? Oder dass sie durch ihre Vorgeschichte bestimmte Bedürfnisse haben. Hauptsache, sie sind hübsch, gesund und brav!! Wie viele dieser Geschöpfe auch hier nur als Ware gelten, Wanderpokale werden oder in Heimen enden, drückt stark auf unsere vernarbten Seelen.
Wird auch verdrängt, wie dumm wir Menschen im Verhältnis zu Tieren sind?
SIE sind die Seismographen, fühlen Stimmungen, registrieren Freude, Trauer, Wut und spüren das Unsichtbare, was wir längst nicht mehr wahrnehmen mit all unserer Zivilisation und Technik. Tiere hören zu – nicht auf das lange Gequassel, das manche Leute „Erziehung“ nennen, nein, sie filtern das, was ihnen begegnet … stimmlich, emotional. Ihre einzige Dummheit ist die Treue zum arroganten Menschen, der es immerhin geschafft hat, sie so zu domestizieren, dass sie abhängig geworden sind. Oft bleiben sie sogar bei ihm, wenn er sie quält, kommentiert von Zweibeinern: „Wie blöd ist das denn…“. Menschen negieren, was sie nicht verstehen, Tiere verlassen sich auf ihre Sinne. Als Kinder waren wir ähnlich, doch mit dem Erwachsenwerden verflüchtigen sich diese Fähigkeiten – wenn wir es zulassen!
Ist es ein zufriedenes Leben, wenn man Gesellschaft hat, genug isst und schläft und das Smartphone funktioniert? Soll alles einfach und bequem sein? Das richtige Leben fühlt sich anders an. Es hat mit sinnvoll gefüllter Zeit zu tun, nicht mit rumgebrachter. Wir wissen erst,
wer wir sind, wenn wir versucht haben, so zu sein, wie wir gern wären. Und der Weg dahin ist meistens so fordernd wie ungemütlich. Doch jeder Mensch, der bereit ist, klarer hinzuschauen, fühlt eine Befriedigung, die viele niemals kennen lernen. Lohn der Angst und Mühe, ein Geschenk fürs Aufbringen von Mut, Kraft und Zuversicht, für das Wachsen von Interesse, Neugier und Empathie, auf dass wir eine kleine, wichtige Zelle unseres geplagten Planeten werden und winzige Spuren zum Besseren hinterlassen. Und dann denke ich: Doch ja, ich kann noch!