LORD

Als Erstes hatte ich Deine Augen gesehen. Trotz des Gitters. So ausdrucksvoll, so klar um Hilfe bittend, ohne jede Bettelei. Das war Dein Wesen, selbstbestimmt und charakterstark. Du warst ein Hund, der in Freiheit leben und eigene Entscheidungen treffen wollte. All‘ das drückten von Anfang an Deine tiefgründigen Augen aus.
Nach der Rettung aus dem elenden Käfig nannte ich Dich Lord, denn so einer warst Du, und brachte Dich in unser spanisches Refugio. Doch  die Fülle dort und die Lautstärkewaren nichts für Dich, Du musstest ein Zuhause haben.
Alice aus Bleckede nahm Dich auf, brachte Dich zu ihrer Hündin Jenny und nannte Dich Bruno. Deine erschlaffte Muskulatur wurde aufgebaut, Deine Persönlichkeit akzeptiert, Deine Wunden verheilten.
Interessant fand ich, wie Du der kleineren, älteren, recht dominanten Jenny seelenruhig das Kommando überlassen hast und sie dann weitgehend ignoriertest.
Dein Leben wurde ein steter Fluss, auch wenn Wasser Dich nie reizte. Irgendwann machte sich das Alter bemerkbar, Deine Gelenke wollten nicht mehr. Also gingst Du im 14. Lebensjahr so klar und ruhig wie immer über die letzte Brücke. Ich wusste nichts von Deinem Zustand, undmein Besuchswunsch klappte leider nicht, aber Du lebst fest in meinem Erinnerungs-Palast und sei sicher, mein Lord, Deinen Blick werde ich immer spüren.  Deine Alida

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